BBC: Von Schriften als stylisches Arbeitspferd mit britischem Charme.

Die BBC erneuert ihren Online-Auftritt und schärft ihre Marke als britischer Traditionssender mit einem neuen Corporate Font.

Die British Broadcast Company (BBC) ist einer der größten TV- und Radiosender der Welt und kann auf eine 100jährigen Geschichte zurückblicken. Diesen traditionsbewussten Riesen »Internet-fit« zu machen ist die Aufgabe der BBC-Abteilung»User Experience & Design«. Deren Creative Director David Bailey beschreibt die Kern-Aufgabe der BBC: mit Nachrichten und Reportagen die Bildung der Massen zu ermöglichen, großartigen Inhalten und Unterhaltungsserien für Menschen jeden Alters zu produzieren. Andere Medienunternehmen schafften mittlerweile den Sprung ins digitale Zeitalter, schärften ihre Marke insbesondere durch eigene Hausschriften. Bei der BBC verwendete man jedoch bisher die Helvetica, schlecht lesbar am Bildschirm und wenig komfortabel für den Nutzer. So kam man zu dem Entschluss, Dalton Maag ,it der Entwicklung einer eigenen BBC-Schrift zu beauftragen. Ein «Stylish Workhorse» musste her. Das Briefing: Die Schrift soll sehr gut lesbar und visuell gut unterscheidbar sein sowie Geld sparen. Der letzte Punkt erfüllte sich recht schnell, da keine Lizenzen mehr für andere Schriften notwendig waren. Die beiden ersten Punkte waren jedoch für die Schriftgestalter von Dalton Maag zu vage als Briefing. Workshops bei der BBC zusammen mit dem gesamten internen Design Team halfen daher, den Blick für Typografie zu schärfen und weitere Kriterien festzulegen.

 

»Talking about type can be quite abstract. People, who don’t usually work with type cannot see the differences.« David Bailey.

 

Interessanter Weise kamen die Teilnehmer des Workshops immer wieder auf britische Klassiker zurück: Charter, Baskerville und Gill Sans.

 

Dalton Maag startete mit Schriftentwürfen, die mit großem Kontrast, humanistischer Formensprache arbeiteten. Diese wurden dann in verschiedenen Medien der BBC getestet: im Webdesign, in Apps und in diversen Kontexten sowie ausländischen Formaten. So wurde zum Beispiel ein gravierendes Problem festgestellt: bei den News-Tickern wurden Buchstaben mit zu langen Unterlängen abgeschnitten.

 

»We don’t only look at the characters, but how they perform.« – Lukas Patron, Creative Director bei Dalton Maag.

 

Iterativ in Zusammenarbeit mit dem Design Team der BBC, entstand innerhalb von zwei Jahren eine Schriftfamilie mit jeweils 10 Schnitten in Sans und Serif sowie zwei Condensed Schnitte in diversen Sprachen: die »BBC Reith« als neues typografisches Gesicht des Medienunternehmens. Der Name eines der Gründerväter und ersten Direktors Baron John Reith. Lukas Paltram fasst alle Besonderheiten der BBC Reith und die Learnings aus der Ausgestaltung der Buchstabenformen für sehr gute Lesbarkeit und Lesefreude am Bildschirm (»legibility = easy to read – readability – fun at reading«) anschaulich zusammen:

 

Die Buchstabenformen sind deutlich voneinander unterscheidbar, damit jeder Buchstabe sofort erkannt wird.
Die Buchstaben weisen eine hohe x-Höhe auf, um nicht zu kleine Binnenformen zu haben, die am Bildschirm zulaufen und die Lesbarkeit bei kleinen Schriftgrößen erschweren.
Offene Formen begünstigen die Lesbarkeit bei kleinen Schriftgrößen, daher werden Ausläufe wie z.B. beim »e« sehr kurz gehalten.
Breitere (horizontale) Proportionen tragen zum besseren Lesbarkeit bei.
Ausbalancierte Abstände ebenfalls.
Robuste Strichstärken sind wichtig, ist die Strichstärke zu leicht brechen die Formen am Bildschirm ein.
Klare Formen unterstützen die Unterscheidbarkeit von ähnlichen Buchstaben, wie z.B. beim Wort »Illustration« – das Doppel-L und das Versal-I.
Schmale Buchstaben sollten so breit es geht gestaltet werden, damit sie nicht überlesen werden.
Serifen unterstützen die Lesegeschwindigkeit, da sie eine Führung in der Zeile erleichtert.
Für Leseanfänger, wie z.B. Kinder, wurden leicht lesbare Varianten gestaltet – ein einstöckiges kleines a, und zweistöckiges kleines g.

»Whenever the BBC tries something new, we get a lot of complains,« erklärt David Bailey. Doch als die ersten On-Air Designs öffentlich wurden gab es kaum einen Kommentar. Nach und nach werden nun einzelne Formate mit der der neuen Schrift ausgestattet – und immer wieder getestet: das Sportmagazin in leuchtendem Gelb und geometrischen Grundformen sowie Fußballergebnisse, die mit der neuen Schrift auf Farbflächen sehr gut lesbar ist. Ende des Jahres folgen die Implementierung des neuen Designs für das Kinderprogramm sowie die Nachrichten.Das Logo wurde jedoch nicht verändert und wird weiterhin in der Gill Sans gesetzt. Weitere Pläne gibt es (noch) nicht «¦

 

Mehr zum neuen Auftritt der BBC und viele Hintergrundgeschichten unter: www.bbc.co.uk/gel


Text: Christine Wenning | 24. Juni 2018 | Fotos: Julius Stuckmann | CXI 18