Ein Selbstgespräch mit Echo – Sennheiser mit seiner internen Design Agentur.

Im dritten Vortrag zeigten uns Finn Fukazawa und Oliver Berger von Sennheiser, wie das Erscheinungsbild des high-end Mikrofon- und Kopfhörer-Herstellers ohne eine externe Branding Agentur von Innen heraus erneuert wurde.

Mit einem 30köpfigen Team bestehend aus Entscheidern und dem Designmanagement Team der Zürcher Dependance wurde das Unternehmen neu ausgerichtet. Das Ziel: Weg vom Anbieter von technologischen Systemen hin zu einem Unternehmen, das Sound-Qualität zum Erlebnis macht – konsequent durch die Produktpalette sowie Marke.

 

Der Beweggrund, warum sich das Unternehmen entschieden hat das Design nicht einzukaufen, sondern im Unternehmen zu verankern, ist in der Historie des Unternehmens verankert: »Der Kunde kann nicht mehr unterscheiden, was gute Kopfhörer bzw. gute Soundqualität ist. Das ist nur technisch messbar. Das muss man wissen, spüren, selber herstellen«, erklärte Oliver Berger. Diese Hands-on Einstellung kommt in den Details der Sennheiser Produkte zum Vorschein: vor kurzem wurde der weltbeste Kopfhörer Sennheiser HE 1 vom Stapel gelassen.

 

 

Eine weitere Besonderheit des Unternehmens: Design und Marketing werden voneinander getrennt. »Marketing ist ein kurzfristiger Prozess. Es geht darum schnell zu verkaufen«, so Oliver Berger. Vor sechs Jahren entschied man sich das Design von der Unternehmenszentrale in Hannover nach Zürich zu verlegen. Marke und Design unterstehen einem der beiden Brüder des Familienunternehmens, Andreas Sennheiser. »Es fühlt sich an wie eine Agentur. Wir haben nur andere Visitenkarten«, erklärte Finn Fukazawa, der zuvor als Geschäftsführer bei der Frankfurter Agentur Heine/Lenz/Zizka ausgestiegen war.

 

Produkt und Marke

Die Designer fragten sich: Was ist der Kern der Marke Sennheiser? Gibt es etwas, das alles zusammenhält? Oliver Berger: »Man beschäftigt sich immer mit dem nächsten Produkt. Dabei muss man sich viel mehr Gedanken machen, wo man her kommt und wofür man steht.« So wurde die komplette Produktpalette in seiner Formensprache neu definiert. Wie sah es aber mit der Markenkommunikation aus? Vor eineinhalb Jahren trat Finn Fukazawa ins Unternehmen. Seine Kritik: »Das Erscheinungsbild war extrem eindimensional, Klischee-belastet, wahnsinnig heterogen.« Das läge auch daran, dass es kein Global Marketing, kein Global Design gab, verteidigte Oliver Berger. Sennheiser sei ein kleines Unternehmen mit weniger als ein Zehntel des Budgets, welches die großen Konkurrenten abrufen könnten. Jede Unit auf der Welt durfte machen was sie wollte.

 

 

Das sollte sich ändern. Die Wort-Bildmarke wurde überarbeitet, der Schriftzug lesbarer gemacht und von der Bildmarke emanzipiert. So kann die Wortmarke nun auch alleine stehen. Die Bildmarke wurde vereinfacht und ikonenhaft eingesetzt.

 

Wir brauchen eine neue Schrift!

Eine Lizenzerweiterung der Hausschrift für digitale Anwendungen, die es damals für Apps nicht gab, machte es vor allem aus juristischer Sicht für das Unternehmen nötig, eine eigene Schrift in Auftrag zu geben. Das Geld, welches man für die Lizenz eingespart hatte, wurde in eine umfangreiche Schrift mit acht Schnitten und einer Monospace-Variante sowie zahlreiche Icons investiert. Darüber freuten sich die Designer sehr, denn wie schwierig ist es normalerweise den CEOs zu vermitteln, dass das Corporate Design enorm davon profitiert?

 

 

 

Kontrastreiche Bildwelten

Das Leitmotiv für das Bildkonzept ist der Kontrast: klare, präzise, architektonische Darstellung von Produkten neben emotionalen, magischen und abstrakten Momentaufnahmen aus der Welt der Musikkünstler. »Wir entwickeln Tools, die weltweit Mitarbeiter befähigen Agenturen zu beauftragen.« Zum Branding von Sennheiser wurden mehrere Filme in Eigenproduktion hergestellt, die das Corporate Design verdeutlichen. Das bedeutet aber nicht, dass damit die Aufgaben der Brand Manager erledigt wären und die nächsten fünf Jahre nur noch Brand Guides geschrieben würden. Es geht darum, die Marke immer weiter auszubauen. So entstanden zum Beispiel Pop-up Stores in New York, wo Produkte und die Marke in diversen Klangräumen und Sound-Installationen erfahrbar gemacht wurden.

 

Heute Word und Telefonieren – morgen das Unternehmen mitgestalten

Am Ende wurden die Fragen, die vermutlich alle Designer im Publikum brennend interessierten, beantwortet: Wie ist es für einen Designer auf Unternehmensseite zu wechseln? Welche Aufgaben erwarten sie oder ihn? Und wird es nicht langweilig, sich immer nur mit einem Kunden zu beschäftigen? Die Antworten: Die Aufgaben ändern sich, man muss viel telefonieren, hat zeitweise mehr Word auf dem Rechner geöffnet als InDesign. Der Designer im Unternehmen steigt aber viel tiefer in die Thematik ein und kann Impulse geben, die das Unternehmen lenken und Ideen entwickeln, die wirklich passen.


Text: Christine Wenning | 8. August 2017 | Fotos: Julius Stuckmann | CXI 17