Fortuna Düsseldorf: Aufstieg in die erste Design Liga.

Fortuna Düsseldorf ist ein Fußballklub mit bewegter Historie, durchlitt schmerzhafte Abstiege und feierte Erfolge – in der kommenden Saison spielt er wieder in der ersten Bundesliga. Der Traditionsverein, 1895 gegründet, steht für ein starkes »Wir-Gefühl«. Daher mussten bei der Entwicklung des neuen Corporate Designs die Fans sowie die Mitglieder mitgenommen werden.

In intensiven Einzelinterviews mit über 3000 Fans, Sponsoren, Pressevertretern und Vereinsmitgliedern wurden die Werte des Vereins ermittelt. Der Markenkern beinhaltet nun acht Attribute, die zusammen für die Haltung des Vereins stehen: Tradition, Ecken und Kanten, Heimat, Leidensfähigkeit, humorvoll, Gemeinschaft, Mutig, Respekt. Der Anspruch: Einzelne Werte mögen auch andere Vereine teilen, aber keiner alle zusammen.

 

Danach kam es zur Ausschreibung. Einige kleinere Agenturen wurden zum Pitch eingeladen, um die Werte des Vereins in das Corporate Design zu übersetzen. Warum kleine Agenturen? Davon versprach man sich der Verein mehr Kundennähe, mehr Kreativität. Das Briefing hatte jedoch einen Haken – weder das Vereinswappen bzw. Logo noch die Primärfarbe Rot durften verändert werden. Bei der Analyse des bestehenden Corporate Designs wurden viele Schwachstellen identifiziert: Logo-Varianten mit Weihnachtsmütze, Schatten, 3D-Effekt und eine ganze Palette von Rot-Tönen, sowie Trikots, die kaum von denen der gegnerischen Mannschaften zu unterscheiden sind, verwässerten das Erscheinungsbild.

 

Mit großer Freude nahm das Morphoria Design Collective die Einladung zum Pitch an. Die Düssseldorfer Designagentur, vertreten von Andreas Ruhe und Alexandros Michalakopoulos, äußerte aber auch Bedenken: »Wir hatten schon ein bisschen Angst, dass uns die Fans mit bengalischem Feuer die Bude abfackeln.« Was den Verein als Kunden von normalen Marken unterscheide: die Emotionen. Bevor es an die Entwicklung der Gestaltungs-Richtungen ging, untersuchte Morphoria aktuelle Designtrends im Sportbereich, Erscheinungsbilder aus der Champions League bis hin zur Kommunikation von Sport-Bekleidungsmarken. Um die Positionierung der Fortuna klarer vor Augen zu haben, präsentierten die Kreativen zwei Polaritäten: Zwischen FC Bayern München und dem FC St. Pauli fühlt sich der Verein deutlich wohler in der Nähe von zweitem. Weniger »Mia san Mia«, mehr Punk – Campino von den Toten Hosen trifft es ganz gut.

 

Morphoria fand über die von Fans gestalteten Banner und Plakate im Stadion die zündende Idee: eine eigene Typografie für den Verein. Aus dem Logo mit dem »Sichel-Serifen-F« entwickelten die Designer eine spannende Formensprache. Charakteristische Schwünge und schräge Abschlüsse unterstreichen den Display-Font der Fortuna Düsseldorf. In zwei Gestaltungs-Richtungen, die beide mit dem Schriftentwurf arbeiten, wurden ausgearbeitet und dem Verein präsentiert.

 

Das Feedback: Route eins »punkig und Heimatnah« wäre intern schwer anwendbar. Route zwei – mit den grafischen Formen aus der Spielfeld-Markierung – war noch zu generisch, nicht auf den Punkt. Trotzdem, die Schrift überzeugte und Morphoria gewann den Pitch. Nun galt es die Formensprache für die grafischen Elemente weiterzuentwickeln, an der Schrift zu feilen.

 

Kann man die Schrift für alles nehmen?
Zunächst war der Font nur für Display-Anwendungen in Gebrauch. Der Kunde wünschte sich die Schrift aber auch für Infos und Fließtext einsetzen zu können. Hierfür entwarf Morphoria eine weitere Schriftvariante, die Fortuna Sans. Die unruhige Zeilenführung der Display-Variante wurde stark reduziert, die Schwünge und Bögen zugunsten einer besseren Lesbarkeit angeglichen und der Schriftsatz mit speziellen Ligaturen ausgestattet. Als nächstes wurden die Ziffern für die Trikots gestaltet. »Lifegoal erfüllt,« schwärmen die Designer, selbst große Fans des Vereins.

 

Bei einer Restriktion des Briefings blieb das Kollektiv hartnäckig: Die Farbe. Rot-Weiß sei im Fußball relativ oft zu sehen. Daher wurden nach Festlegen des Rot-Tons ein weiterer dunkler Rot-Ton als Sekundärfarbe hinzugefügt, sowie Schwarz und Gold. Mit diesem Werkzeug konnten erste Teil-Projekte umgesetzt werden: Showroom, Dauerkarten, Autogrammkarten, Social Media bespielt werden sowie Banner für Pressekonferenzen. Banden wurden mit Animationen ausgestattet. Das Corporate Design wird laufend weiter implementiert. Es gibt bald eine App, ein Beschilderungssystem für den Neubau eines Nachwuchsleistungszentrums ist in Arbeit – und neue Designs für das Trikot mit der Schrift darauf.

 

Und wie kommt das bei den Fans an?
»Alles was man verändert, ist erstmal Scheiße «¦«, so war die grundsätzliche Vermutung des Morphoria Design Collectives und des Vereins-Managements. Scharfe Kritik blieb jedoch aus, im Gegenteil: Auf Social Media gab es viele positive Kommentare und immer öfter die Nachfrage, ob der Font frei zum Download zur Verfügung stünde. Der Verein entschied sich, vorerst, dagegen.

 

Zur Entscheidung des Vereins, eine kleine Agentur und eine Gestaltungs-Richtung, die nicht gleich vollkommen überzeugte zu wählen, erklärte Dr. Alexander Steinforth: »In einem Pitch alles servierfertig vorgesetzt zu bekommen ist eine Illusion.« Wenn man grundsätzlich das Gefühl habe, dass die Agentur stimmt und die Richtung der Idee gut ist, es nur an Details hake, sollte man soviel Mut haben, sich für die Agentur zu entscheiden.


Text: Christine Wenning | 27. Juli 2018 | Fotos: Julius Stuckmann | CXI 18