Macht einen Störer
Als Auftrag formulierte das Museum den Auftrag zu kommunizieren, dass die Kunsthalle während der Bauphase geöffnet bleibt und zu dem provisorischen Eingang zu führen. »Macht einen Störer«, lautete das Briefing. Das war ein »kleiner Finger«, den Achim Heine ergriff, um daran zu ziehen und ein großes Projekt daraus zu machen.
»Diese Agentur hält sich grundsätzlich nicht an Briefings«, erklärte uns Jan Metzler, Leiter Kommunikation und Marketing mit einem Lächeln auf den Lippen.
Bei einem Workshop arbeitete man weitere Problemstellen der Hamburger Kunsthalle heraus und schaute hinter die Fassade: Das Museum wurde 1869 von Hamburger Bürgern gegründet. Das Depot beherbergt eine der größten Kunstsammlungen und gehört zu den meist besuchten Kunstmuseen Deutschlands. Doch wurde das mit dem damaligen Erscheinungsbild überhaupt nicht deutlich: Mittelachsigkeit, die jede Gestaltung im Layout erschwert, keine Markenwirkung des Logos, wenig Konsistenz. »Die Kunsthalle verkaufte sich komplett unter Wert«, so Achim Heine. Das wurde dem Museum nicht verschwiegen. »Unsouveräne Kunden schmeißen einen direkt raus («¦). Aber mit denen kann man auch nicht zusammenarbeiten.« – Achim Heine.
Hamburger Kunstbaustelle
Nun galt es eine Übergangslösung zu finden. Das Thema Baustelle trieb man auf den Zenit. Die Kunsthalle wurde kurzfristig zur Hamburger Kunstbaustelle. Ein großer runder gelber Sticker mit einer Schrift aus Punkten wurde auf allen alten Kommunikationsmitteln geklebt, sodass sie weiter benutzt werden konnten. Draußen wurde der riesiger gelbe Störer plakativ auf den Baustellenzaun platziert und leitete die Besucher zum provisorischen Eingang. Das Gestaltungselement zog sich durch alle Medien. Man kommunizierte offen den Stand der Baustelle für Besucherinnen auf einer Microsite. Das Motto: »Weiter offen« wurde auf Anzeigen und Plakaten weitergesponnen: »Weiter staunen«, »weiter träumen« bis zur Weihnachtskarte: »Weiter feiern«. Während der Bauarbeiten entstand die Ausstellung mit dem Titel »Spot on«, die vom Interims-Corporate Design mit dem Störer als Ausschnitt, Scheinwerfer-Spot auf Meisterwerke der Kunst getragen wurde. Die Punkte-Schrift wurde schließlich als Font gebaut, damit sie leichter angewandt werden konnte.
»Man hat das Gefühl: Die Kunsthalle ist geschlossen offener«, zitierte Jan Metzler einen Kommentar zum Übergangs-Erscheinungsbild der Kunsthalle von einer Mitarbeiterin. Mehrere Aktionen am Bauzaun setzten politische Statements wie z.B. gegen eine Nazi-Demo oder kostenlose Welcome-Tickets als Begrüßung ankommender Flüchtlinge in Hamburg. Ein Impuls der gern von den Hamburger Bürgern und Bürgerinnen aufgegriffen wurde. Über Nacht wurde das Baustellenschild von der Kunst zurückerobert. Eine zunächst unbekannte Künstlerin malte ein H vor das »offen«, Elisabeth Richnow outete sich später als Urheberin.
Social Media war ein weiterer wichtiger Punkt auf der Agenda: Jede Woche kam ein Mitarbeiter der Agentur aus Berlin nach Hamburg, um mit den Kuratoren diversen Social Media Kanäle zu bespielen. In die Top-Zehn der Facebook-Seiten im Kulturbereich zu kommen, war eine enorme Leistung. Ein Baustellen-Blog führte jedoch zum Misserfolg, zu viel Information, kaum Leserschaft. Eines der vielen Learnings für den Kulturbetrieb.
Dabei stellte das Gelb für das Museum rückblickend nicht nur ein innenpolitisches Problem dar. »Wir kommen von einem tiefen hanseatischen Blau«, betont Jan Metzler. Ein weiteres No-Go: die Alster-Verordnung der Stadt Hamburg. Im Blickfeld der Alster ist Werbung verboten. Die Agentur bewies großes Geschick, die Leitung davon zu überzeugen sich die Strahlkraft der Farbe zunutze zu machen und wandte einen Trick an. Als Kunstinstallation wurde das riesige »Weiter offen«-Logo (von der Alster aus unübersehbar) geduldet.
Die Kunst wieder auf den Sockel heben
Die Umbauarbeiten kamen im April 2016 zum Ende. Der Tag, an dem die Hamburger Kunsthalle neu eröffnet wurde, sollte der Tag der Häutung werden. Das Konzept der Eröffnungskampagne von Heine/Lenz/Zizka lautete: »Die Kunst ist zurück«.
Doch erstmal zum neuen Erscheinungsbild: Die biedere Gestaltung mit dem mittelachsigen Logo wurde über Bord geworfen. Eine neue Wortmarke und ein Layout-System, das selbstbewusst mit Bildern und Farbflächen umgeht, verleihen der Hamburger Kunsthalle neuen Glanz. Magnetisch dockt die Wortmarke – bold, versal in der ITC Johnson – oben auf der (Bild-)Fläche an, die mit einem weißen Rahmen versehen wird. Headlines folgen dem Prinzip und beginnen im Anschnitt, berühren Kanten oder sprengen das Format. Viel Weißraum gibt den Bildern Raum zu wirken, ermöglichen eine freiere Gestaltung und Anordnung der Informationsebenen. Das Farbkonzept ist losgelöst von Pantone-Nummern, mit der Möglichkeit verschiedene Farben passend zu den Ausstellungen zu wählen. Heine/Lenz/Zizka gestaltete das Erscheinungsbild des Museum bis zum Leitsystem durch, das ebenso modular funktioniert und leicht zu wechseln ist.
»Wir haben ein tolles neues Logo, das wollen wir auch bei der Eröffnungskampagne sehen.« – Jan Metzler. Die Agentur überzeugte ihn vom Gegenteil.
Formatfüllende berühmte Gemälde auf 24/1-Plakaten wurden in der ganzen Stadt an Bahnhöfen und Plätzen geklebt – mit Motiven, die Bezug zum Stadtteil nahmen. Auf das Logo verzichtete man. Nur das Datum gab einen weiteren Hinweis auf den Absender. Die Fassade der Kunsthalle zierte ein weißes Banner mit derselben Überschrift, ohne Bild. Das wirkte.
Souverän nahm sich die Hamburger Kunsthalle zurück und machte sich zum Stadtgespräch. Am Tag der Wiedereröffnung wanden sich die Warteschlange um das Gebäude. Die Besucherzahl erreichten einen Rekord von 205.000 im ersten Monat. Und wieder war die Kampagne der Hamburger Kunsthalle so stark, dass sich die Bürger und Bürgerinnen damit identifizierten: Ein Sprayer verewigte das Motto auf einer Lok. »Das ist Sachbeschädigung, das geht überhaupt nicht!«, kommentierte Jan Metzler.