Was Marken und Designer von der agilen Produktentwicklung lernen können.

Das Briefing wurde eingehalten – der Entwurf ist trotzdem gescheitert. Die Designer Paul Schoemaker und Mats Kubiak erzählen, wie die Zusammenarbeit mit ihrem Auftraggeber sipgate nach einem Fehlversuch doch noch zu einem sehr erfolgreichen Ergebnis geführt hat.

Der Internettelefonie-Anbieter sipgate beauftragte die kleine Designagentur g31 aus Düsseldorf mit dem Redesign des Corporate Designs, welches innerhalb von zwei Monaten in einem klassischen Arbeitsprozess umgesetzt wurde. Tobias Ritterbach, Experience Owner bei sipgate und der Geschäftsführer Tim Mois erkannten, dass ein einfaches Redesign des Status Quo nicht ausreichte. Für sipgates fortschrittliche Kultur und Selbstverständnis als agiler, kommunikativer, innovativer, self-made Entwickler reichte das nicht aus, es musste grundsätzlicher gedacht werden. «Eigentlich ist sipgate gefühlt schwarz», kommentiert Tobias Ritterbach das Ergebnis der ersten Route.

 

 

Die Marke sollte nun von Grund auf neu gestaltet werden und zwar in einem leanen und agilen Prozess nach Scrum, ein Arbeitsprozess, mit dem sipgate viel Erfahrung hat. Die neue Markenpersönlichkeit und die neuen Markenwerte – lean und agil, persönlich, fair, ehrlich und offen – wurden in Gestaltungselemente übersetzt, die in zweiwöchentlichen Sprints ausgearbeitet, abgestimmt und zu einem Gesamtbild vervollständigt wurden. Das Ergebnis ist ein visuelles System, das die vorher unüberschaubar vielfältigen, bunten Produktlogos in ein klares, einheitliches Dachmarken-Konzept überführt. Während die Produktkategorien in leuchtenden Farben erscheinen, tritt die Dachmarke reduziert in schwarz und weiß auf. Zufällig entdeckte man das Logo der Dachmarke unter den vielen Entwürfen für die Produktkommunikation: Abgeschnittene, ineinander greifende Kreise mit einem Schatteneffekt im 36° Winkel bilden ein abstraktes S. Darin sahen die Projektbeteiligten eine Schnittstelle, Kommunikation zwischen zwei Menschen. Als Metapher für Telefonie, die sich von der analogen zur digitalen Technologie gewandelt hat, erscheint die Wortmarke in der PX Grotesk, die kantige, pixelartige und abgerunde Formen enthält. Die DIN Next unterstützt die Dachmarke im Zusatz für die Produktnamen und als Hausschrift. Der Winkel sowie der Verlauf tauchen in grafischen Mustern wieder auf. Charmante Icons und witzige, animierte Illustrationen helfen Produkt-Features zu beschreiben und verweisen auf die Kultur von sipgate, die auch Tobias Ritterbach mit viel Wortwitz auf der Bühne der CXI 19 vertritt. Jedes Produkt erhält zum Dachmarken-Logo einen Namenszusatz, eine definierte Farbe und ein zugeordnetes Muster. Wenn neue Produkte erscheinen, kann dieses Design System einfach erweitert werden. Der Bildstil verzichtet auf Stock-Fotografie und zeigt echte Menschen und Arbeitssituationen bei sipgate.

 

 

Bei der Implementierung des neuen Corporate Designs galt es die Begeisterung der Projektbeteiligten auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu übertragen – eine große Party wurde veranstaltet und das neue Design-System vorgestellt. Als Geschenk wurde eine schöne schwarze Box mit Kudos Cards, Stiften, Compliment Cards, Notizblock, Visitenkarte und Brand Book überreicht. Die Strategie ging auf: Die Website und sämtliche alte Kommunikationsmedien wurden in einem internen Sprint, an dem die ganze Firma großen Spaß hatte, ersetzt. «Findet alle alten Logos und tötet sie!» zitiert Tobias Ritterbach das Motto des Geschäftsführers vor der Veröffentlichung des neuen Auftritts. Die Brand Plattform mit Pattern Library, Templates und Guidelines wird auch nach dem Relaunch stetig weiterentwickelt und verbessert.


Text: Christine Wenning | 10. Juli 2019 | Fotos: Julius Stuckmann | CXI 19