Bunte Farben und starke Aussagen: Wie eine Partei zur Popkultur wurde.

»Für Parteien zu arbeiten hat den Sex-Appeal von Stützstrümpfen.« – leitete Karin Schmidt-Friderichs den Vortrag ein. Felix Steiner, Art Director bei Heimat Berlin bewies in seinem Vortrag, dass auch Werbeagenturen »Design können«.

Zum Zeitpunkt der Beauftragung befand sich die FDP nur noch unter »Sonstige« auf der Parteienliste des ZDF-Polit-Barometers. Darüberhinaus hatte sie sich nach den letzten Niederlagen personell komplett neu aufgestellt. Nun galt es, für die FDP ein neues Image zu entwickeln und sie während der Bundestagswahl im Umfeld der Parteiwerbung hervorzuheben. Die Aufgaben: Awareness schaffen. Neuausrichtung kommunizieren. Anwendbarkeit für alle.

 

Insbesondere der letzte Punkt war nicht so einfach zu erreichen, erklärte Felix Steiner, denn auf kommunaler Ebene gestalten meist gestalterische Laien die Wahlplakate. Sie könnten mit einem Corporate Design Manual nichts anfangen. Daher galt es ein Gestaltungskonzept zu finden, das sehr flexibel für alle Kandidatinnen auf Bundesebene bis hin zu den Kommunen einfach anwendbar ist. Denn: »Jeder Wahlkampf zahlt auf die Gesamtmarke ein«.

 

»Farben sind in der Politik ein Mienenfeld.«

Bei der Recherche wie sich die anderen Parteien positionieren, war schnell klar, dass jede Farbe besetzt ist. Die traditionellen Farben der FDP Gelb und Blau wurden daher adaptiert, etwas »aufgefrischt« und um eine weitere Farbe ergänzt: Magenta. Eine CMYK-Farbanmutung entstand. Die Wortmarke FDP wurde in einen Balken platziert und mit dem Schriftzug »Freie Demokraten« – größer und plakativ in Slab Serif – kombiniert, diverse Farbvarianten ermöglichten nun die Platzierung auf Farbuntergründen. Auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart wurde das neue Logo zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert, die Pressekonferenz war voll, die Berichterstattung enorm. »Abseits der politischen Blase waren wir plötzlich Popkultur. Damit hatten wir den ersten Teil der Aufgabe erfolgreich erledigt«, erklärte Felix Steiner.

 

Als nächstes folgte die Kampagne. Entgegen der vorherrschenden negativen Stimmung im Wahlkampf und des durch die Medien geprägten Begriffs »German Angst« wollte man die positive Haltung der Partei kommunizieren, Optimismus und Fortschrittsglaube verbreiten. Ein Imagefilm sowie eine Social Media Kampagne mit der neuen Haltung der FDP entstand. Der Begriff ins Gegenteil gedreht,»German Mut« als Slogan auf die Fahnen geschrieben. Bunte und laute Headlines, dazu ungewöhnlich lange Copytexte auf Wahlplakaten erläuterten die politischen Positionen der FDP. Im Kontrast dazu wurden nüchterne schwarz-weiß Portraits der Spitzenkandidaten genutzt, die teilweise dem Stil von Fashion Fotografie nahe kamen.

 

Die Anwendbarkeit des neuen Corporate Designs auch durch Laien gelang durch ein sehr offen gehaltenes CD Manual. Das System erlaubt den Einsatz sehr unterschiedlichen Bildmaterials, von Fotografien bis zu Illustrationen. Headlines auf farbigen Balken bilden die visuelle Klammer. Auf kommunaler Ebene wurden Partei-Vertreter sehr unterschiedlich kommuniziert, passend zu Aussage und Typ mal Foto-Collagen, mal Illustrationen à la »Hope« der Obama-Kampagne eingesetzt. »Das System hält viel aus«, führt Felix Steiner aus. Auch düstere schwarz-weiß Bilder eines Kriegsfotografen, der den hektischen Alltag des Politikers Christian Lindner dokumentierte.

 

Auch international machte die FDP mit Guerilla-Aktionen, geplant und ausgeführt von Heimat, Furore. Viel Aufmerksamkeit brachte die Aktion zum damals aktuellen Thema Brexit. Ein bunt plakatierter Transporter fuhr durch London mit dem Aufruf: »Dear Start-ups, keep calm and move to Berlin.« Hunderte Start-ups zogen um, die passenden Umzugskisten im FDP Design standen im Onlineshop zur Verfügung.

 

»Ruhe bitte, wir sind jetzt im Bundestag.«

Die Agentur Heimat Berlin gewann zahlreiche Preise mit dem mutigen Redesign der Marke und den Kampagnen. Wie zum Beispiel dem »Doofgedicht«, das neue Parteimitglieder warb. Inhaltliches Konzept: Alles ist doof – selbst die FDP und auch der Spitzenkandidat, also sollte man der Partei beitreten und es besser machen. Umsetzung: Farbige Typo auf farbigen Untergründen. Laut, plakativ und selbstbewusst.

 

Heute arbeitet Heimat weiter für die FDP. Aktuelles Projekt ist das Erscheinungsbild für die FDP Fraktion, die nun im Bundestag vertreten ist. Mit generativer, interaktiver Gestaltung verdeutlicht man die Haltung der FDP – viele Individuen, die zu verschiedenen Themen eine eigene Meinung haben jedoch alle zusammen für eine übergeordnete Haltung stehen. Ein animierter Schwarm von Pfeilen soll dies verdeutlichen. Ein interessanter Ansatz, der noch weiter ausgearbeitet wird.


Text: Christine Wenning | 4. Juli 2018 | Fotos: Julius Stuckmann | CXI 18