Designer, die sich über Kekse streiten oder: Einblicke in die Design-Geschichte und die Zukunft der DB.

»100% Bekanntheit heißt leider auch 100% Meinung. Wenn bei Porsche einen Tag die Bänder stillstehen, kriegt das keiner mit. Wenn bei uns die Züge stillstehen, dann reden alle darüber«, so Michael Bütow, Leiter Markenführung, CD/CI und Markenprojekte bei der Deutschen Bahn.

Die Bahn steht zu ihren Fehlern und macht das auf den Sozialen Medien deutlich. Mit viel Selbstironie wird Kritik eingesteckt und die Empathie der Kunden gewonnen. Die Werbe-Kampagnen greifen diese offene Haltung auf: Vorteile gegenüber anderen Verkehrsmitteln werden witzig inszeniert, das Trendthema autonomes Fahren als eigenes USP genutzt, aber auch gesellschaftliche Themen wie Homosexualität, fremde Kulturen und Religionen mit Toleranz begegnet. Lediglich das Set im ICE lässt erkennen, dass es sich nicht um eine gemeinnützige Organisation handelt. Die Bahn sieht sich als größte Lifestyle-Brand Deutschlands. Das Kommunikationsziel: Nahbar sein, keine Behörde.

 

»Wir wollen das Markendesign jünger machen. Menschlicher, moderner werden«, so Michael Bütow, Leiter Markenführung, CD/CI und Markenprojekte bei der Deutschen Bahn.

 

Design-Schätze aus den Archiven der Deutschen Bahn

Mit der Marken- und Designagentur Peter Schmidt Group wird gerade an der Neupositionierung und Überarbeitung der Marke gearbeitet. Lukas Cottrell, Managing Director erklärt die Herkunft der Marke. Der DB »Keks« wurde im Laufe der Geschichte mehrfach geändert. Die Design-Ikone Kurt Weidemann übernahm 1993 die Aufgabe und vereinfachte das ursprüngliche Logo. Das Honorar führte zur Rechtfertigung in einer öffentlichen Diskussion. 200.000 Mark für ein Logo. Das Argument »Druckfarben sparen« milderte die hitzige Stimmung. Zehn Jahre später erhielt die Bahn das Erscheinungsbild wie wir es heute kennen: Erik Spiekermann war die nächste Design-Ikone, die sich der Herausforderung stellte. »Kurt hat das schlecht gemacht«, wurde Erik Spiekermann zitiert und ihm wurde Recht gegeben. Das Design war zu ingenieursmäßig, spannungslos, zu eckig. Neben des Redesigns des Logos entstand eine Corporate Type und die »abe Ecke« als grafisches Element, die das Layout ordnet. Ein neues Orientierungs- und Wegweiser-System für die Bahnhöfe entstand. Als nächstes wurde die Markenarchitektur angegangen: über 750 Einzelauftritte im Konzern galt es zu harmonisieren.

 

Heute stellt sich die Marke Deutsche Bahn neuen Herausforderungen. Weitere Tochterfirmen und Zukunftsprojekte werden vorangetrieben. Es ist nicht mehr nur der Mutterkonzern, Inhaberin des Schienennetzes in Deutschland, es geht um das Thema Mobilität im Allgemeinen. Nicht mehr von Bahnhof zu Bahnhof, sondern von Tür zur Tür. Um Logistik, Autonomes Fahren, intelligente Schienentechnologie, Digital First. Passt da noch der Keks?

 

Holt euch die Marke zurück!

Die Peter Schmidt Group arbeitet zusammen mit dem Corporate Design Team der Bahn an dieser herausfordernden Aufgabe. In einem kollaborativ-partnerschaftlich geführten Positionierungs- und Markenprozess werden behutsam die Grenzen des aktuellen Erscheinungsbildes ausgelotet und mit zukünftigen Anforderungen getestet. Wo sind Schwachstellen im Corporate Design? Wo gibt es Spielräume? Wann geht man zu weit und verleugnet die Heritage der Marke? Die Expeditionen in grafischen Routen sind zum Teil abenteuerlich. Mittelachse, Outline, Farbverläufe, dynamische Elemente, einige Logo-Varianten. Sehr modern, aber nicht die Bahn. Das Learning daraus: Shit in. Shit out. »Als Kunde muss ich wissen, was ich reingebe ins Briefing. Was ich reingebe, bekomme ich hinterher raus«, erklärt Michael Bütow.

 

»Neue Richtlinien zu erstellen und Markenpolizei zu spielen ist nicht das Ziel des Projekts«, verdeutlicht Lukas Cottrell die Aufgabe. Das funktioniere nicht mehr. Viel mehr geht es darum Designer zu befähigen, zu Experten zu machen in den jeweiligen Bereichen, Freiheiten zu erlauben. »Wir müssen viel mehr erklären. Kompass sein.« Die Marke soll verstanden, statt in ein Korsett aus Regeln geschnürt werden.

 

Leider gibt es noch keine Ergebnisse anhand von Relaunches vorzuzeigen. Doch auf der CXI 2019, versprechen die Vortragenden, werden Ergebnisse vorgestellt. Denn nächstes Jahr werden sukzessive erste Roll-outs gemacht, die vor der Implementierung an Fokusgruppen getestet werden. Corporate Clothing ist dabei eines der Themen.


Text: Christine Wenning | 26. Juni 2018 | Fotos: Julius Stuckmann | CXI 18